Die Macht positiver Emotionen im Business

Die Macht positiver Emotionen im Business

Warum es sich lohnt, gute Gefühle am Arbeitsplatz gezielt zu verstärken.

Mehr Energie, mehr Motivation, mehr Denkvermögen – und in der Folge bessere Ergebnisse, bessere Problemlösungen, bessere Projektabschlüsse. Positive Emotionen am Arbeitsplatz gezielt zu verstärken, lohnt sich immer. Das wurde in den letzten Jahren nicht nur mehrfach wissenschaftlich bestätigt – auch vielerlei Praxiserfahrungen zeigen, dass das Verstärken von positiven Emotionen zu verbesserten Resultaten am Arbeitsplatz führt.

Zielgerichtetes Arbeiten, bessere Strategien, mehr Kreativität – positive Emotionen haben eine erweiternde, zukunftsgerichtete Qualität und helfen den Mitarbeitern dabei, Ziele und Projektergebnisse planvoll und optimistisch anzusteuern. Führungskräfte, die positiven Emotionen bewusst Raum geben, sie etablieren und vorleben, können soziale Bindungen untereinander stärken, Ressourcen wie Selbstwirksamkeitserwartung aufbauen und die Zukunft des Unternehmens positiv beeinflussen.

Psychologen und Wissenschaftlicher beschreiben weitere positive Effekte, die durch positive Emotionen entstehen: Wir können abstrakter denken, erkennen Zusammenhänge besser, wollen aktiver werden und finden kreativere Problemlösungen, weil sich unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit erweitert. Dies führt zum Aufbau persönlicher Ressourcen, die für mehr Zufriedenheit, mehr Wohlbefinden, mehr Freude und mehr Erfüllung sorgen und letztlich dadurch sogar die Gesundheit fördern können.

WORUM ES NICHT GEHT
„So ein Kuschelkurs macht bei uns keinen Sinn!“, „Ich kann doch schlechte Leistung nicht positiv bewerten oder weglächeln!“ Solche oder ähnliche kritische Aussagen sind bis heute weit verbreitet. Dabei geht es bei der Etablierung von positiven Emotionen darum gerade nicht.

Es geht vielmehr darum, bewusst Platz für positive Emotionen und positive Rückmeldungen zu machen. Denn bis heute wird in vielerlei Unternehmen nach den Prinzipien agiert: „Geschimpft ist gelobt genug“ oder „Wir sind hier auf der Arbeit und nicht zum Spaß!“
Nun könnte man zum Thema ‚Loben oder Wertschätzung‘ ausdrücken, einen eigenen kritischen Artikel schreiben, der Aussage „Wir sind hier auf der Arbeit und nicht zum Spaß“ kann man jedoch eindeutig und mit einem kurzen Satz entgegnen: Eben doch!

„Die Positive Psychologie widmet einfach mehr Aufmerksamkeit den Höhen und Gelegenheiten, wobei die traditionelle Psychologie schon aus historischen Gründen den negativen Seiten menschlichen Seins mehr Aufmerksamkeit entgegenbringt.“
Prof. Dr. Barbara L. Fredrickson

FREUDE
„Freuden sind unsere Flügel, Schmerzen unsere Sporen.“ Was der deutsche Schriftsteller Jean Paul schon Ende des 18. Jahrhunderts niederschrieb, gilt bis heute. Wer Menschen zum Aufblühen bringen will, wer anderen Flügel geben will, wer andere motivieren will, tut gut daran, Freude, statt Schmerz zu verbreiten. Denn Freude erzeugt Lust, sich zu engagieren.
Barbara Fredrickson, Professorin für Psychologie an der University of North Carolina at Chapel Hill und leitende Wissenschaftlerin am Positive Emotions and Psychophysiology Lab, empfiehlt Unternehmen neben Freude auch gezielt Dankbarkeit, Zufriedenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Heiterkeit, Inspiration, Ehrfurcht und Liebe zu verstärken.

„Wir gehen davon aus, dass uns Erfolg glücklich machen wird. Das Gegenteil ist mit großer Wahrscheinlichkeit mindestens ebenso richtig: Glücklich sein macht erfolgreich, auch und gerade im beruflichen Umfeld.“
Dr. Nico Rose

WICHTIG – NICHT NICE TO HAVE
Negative Emotionen haben einschränkende, ungünstige Auswirkung auf die Leistung, positive Emotionen verbessern vieles. Schon aus diesem Grund sollten Unternehmen mehr Wert auf die Stärkung positiver Emotionen legen. Insbesondere Führungskräfte können hier als Vorbild dienen. Denn Führungskräfte, die für eine gute Stimmung im Team sorgen, sorgen für ein besseres Arbeitsklima und steigern dabei gleichzeitig die Leistung des Teams! Nicht zuletzt weil wir dann mehr auf das achten, was uns mit Menschen verbindet als auf das, was uns voneinander trennt. Der Wirtschafts- und Organisationspsychologe Dr. Markus Ebner, erklärt in seinem Buch „Positive Leadership“ die Zusammenhänge: „Menschen beeinflussen sich emotional gegenseitig, ob sie wollen oder nicht. Löst die Beeinflussung positive Emotionen aus, kommt es in Arbeitsteams zu einer verbesserten Kooperation, einer Abnahme von Konflikten und einer Steigerung der wahrgenommenen Aufgabenleistung.“
Von positiven Emotionen profitieren nicht nur einzelne Mitarbeiter und Teams, sondern auch das gesamte Unternehmen. Positive Emotionen wirken sich positiv auf den Unternehmenserfolg aus. In Studien konnte deutlich gezeigt werden, dass das Wohlergehen der Mitarbeiter ein Schlüsselfaktor für den langfristigen unternehmerischen Erfolg ist.

„Positive Emotionen im Team sind eine relevante Größe,
auf die Führungskräfte achten sollten!“
Dr. Markus Ebner

NEUE FÜHRUNGSAUFGABE
Führungskräfte sind Vorbilder und sollten sich dessen immer bewusst sein. Weil Emotionen hauptsächlich von oben nach unten fließen, können negative Emotionen der Führungskraft auch beim Mitarbeiter negative Emotionen hervorrufen. Experten gehen sogar davon aus, dass die schlechte Stimmung von Führungskräften nicht nur die Stimmung im Team dämpfen kann, sondern auch Prozesse verlangsamen und Innovation verhindern kann.
Daniel Golemann, der den Bestseller „Emotionale Intelligenz“ verfasst hat und an der Harvard University Klinische Psychologe lehrte, geht davon aus, dass 20-30 Prozent der Leistung eines Unternehmens von der emotionalen Befindlichkeit der Mitarbeiter abhängt. Gut, wenn Führungskräfte darum wissen, positive Emotionen verstärken und ihre eigenen Emotionen regulieren können.
„20-30 Prozent der Leistung eines Unternehmens hängt von der emotionalen Befindlichkeit der Mitarbeiter ab.“
Daniel Golemann

POSITIVE EMOTIONEN SIND ANSTECKEND
Fight, flight or freeze (Kämpfen, fliehen, einfrieren) – Das sind häufige Reaktionen auf zu viele negative Emotionen, auch am Arbeitsplatz. In Zeiten des Fachkräftemangels für Unternehmen noch gefährlicher als je zuvor. Wer die Spirale der Negativität, eine hohe Fluktuation, eine zunehmende Mitarbeiterunzufriedenheit und steigende Krankheitstage durchbrechen will, ist gut beraten, auf positive Emotionen zu setzen. Positive Emotionen haben einen Schneeballeffekt, will heißen: Sie sind ansteckend.
Dr. Markus Ebner beschreibt die Positivspirale, die auf der sogenannten Broaden & Build-Theorie beruht wie folgt: „Menschen werden durch positive Emotionen neugieriger, sind offen für Neues, die Kreativität steigt. Dadurch werden langfristig Ressourcen aufgebaut, die sich wiederum positiv auswirken und weitere positive Emotionen hervorrufen: Eine positive Aufwärtsspirale entsteht!“
Zu diesen Ressourcen zählen beispielsweise soziale Unterstützung und Freundschaften, Optimismus und Resilienz (Widerstandsfähigkeit), Expertenwissen und sogar körperliche Ressourcen wie Gesundheit.

POSITIVE EMOTIONEN ETABLIEREN – SO GEHT‘S

Positive Grundhaltung einnehmen
Eine positive Grundhaltung vermittelt ein gutes Gefühl und verändert das Denken. Führungskräfte, die eine positive Grundhaltung vorleben, können Optimismus und Resilienz ihrer Mitarbeiter stärken und soziale Bindungen der Mitarbeiter untereinander und die Beziehungen zwischen einzelnen Mitarbeitern und ihrem Vorgesetzten verbessern.
Eine positive Grundhaltung vorzuleben, bedeutet, den Fokus auf das Positive zu richten. Hilfreich ist hier beispielsweise die What-Went-Well – Methode. Sprechen Sie häufiger darüber, was gut lief – in dieser Woche, an diesem Tag, in diesem Projekt. Dies eignet sich insbesondere für den Beginn eines Meetings. Wenn Mitarbeiter und Führungskräfte über Erfolgserlebnisse und erfolgreiche Entwicklungen gesprochen haben, verändert sich die Grundstimmung in einer Gruppe von Menschen zum Positiven. In dieser Stimmung ist es dann leichter und effizienter auch über noch zu lösende Probleme zu sprechen, zumal eine positive Grundstimmung eine negative Haltung bremst und motivierend wirkt. Auch und gerade nach gescheiterten Projekten und bei besonders schwierigen Herausforderungen, ist es hilfreich, auch über Gelungenes zu sprechen und das Positive im Schwierigen zu sehen. Das soll nicht heißen, dass man Probleme und Schwierigkeiten verschweigen soll, ganz im Gegenteil, aber die Kultur vieler Unternehmen, überwiegend zu benennen, was nicht gut lief und welcher Mitarbeiter an welcher Stelle anders hätte handeln müssen, allein, ist alles andere als zielführend.

Selbstwirksamkeitserwartung steigern
Was können wir tun, damit das Projekt erfolgreich wird? Wer diese Frage regelmäßig stellt, wird bessere Ergebnisse erzielen können. Denn positive Emotionen können durch ihre erweiternde Art auch die Selbstwirksamkeitserwartung steigern. Selbstwirksamkeit beschreibt das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und Kompetenzen, Ziele, Aufgaben und Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen und lösen zu können. Menschen möchten das Gefühl haben, selbst etwas bewirken zu können. Neben positiven Emotionen ist es wichtig, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitern zeigen, dass sie das Vertrauen haben, dass sie eine Aufgabe selbstständig lösen können. Regelmäßiges, wertschätzendes und ehrliches Feedback unterstützen dabei. Wertvoll ist es auch, gemeinsam mit dem jeweiligen Mitarbeiter über die eigenen Stärken zu sprechen und zu prüfen, welche Stärken bei dieser Herausforderung hilfreich sein können.

Optimismus verstärken
Führungskräfte können den Optimismus ihrer Mitarbeiter gezielt beeinflussen, indem sie sich selbst immer wieder diese und ähnliche Fragen stellen: Wie gelingt es mir, mehr positive Emotionen wie Freude, Dankbarkeit, Interesse, Zufriedenheit, Hoffnung, Stolz, Inspiration in unsere Arbeit zu bekommen? Wie kann ich meine Mitarbeiter in die Lage versetzen, berechtigten Stolz für Erfolge zu empfinden? Womit kann ich sie unterstützen, damit sie Misserfolge angemessen verarbeiten können? Wie kann ich meinen Mitarbeitern helfen, die aktuelle Situation angemessen einschätzen zu können? Wie kann ich ihnen Mut machen, neue Lösungsstrategien zu entwickeln? Wie kann ich meine Mitarbeiter dabei unterstützen, sich weiter zu entwickeln und zu entfalten?
Wer individuelle, auf sein Team bezogene Antworten und Handlungswege findet, der sorgt nicht nur für mehr Freude und Motivation am Arbeitsplatz, er kann auch zukünftige Erfolge noch wahrscheinlicher machen.

Erfolge feiern
Feiern Sie Projekterfolge und kleine Teilerfolge – es muss ja nicht gleich ein großes Fest sein, aber übergehen sie wichtige Ergebnisse und Projektschritte nicht. Ein neues Produkt wurde erfolgreich am Markt etabliert? Die neue Webseite ist online? Sie konnten einen wichtigen neuen Kunden gewinnen oder einen schwierigen Kunden zufriedenstellen? Sprechen Sie darüber, halten Sie inne, nehmen Sie sich zusammen mit dem Projektteam Zeit, darauf anzustoßen, machen sie einen großen Haken an eine sichtbare Checkliste, hängen sie ein Schild auf „Geschafft! Weiter geht’s!“ oder ähnliches. Finden Sie ein Ritual, dass zu Ihnen und Ihrem Team passt und füllen Sie es mit Leben, wann immer es Positives zu berichten gibt! Es gibt keinen Grund, Erfolge unter den Tisch fallen zu lassen. Das Gute daran: In gesundem Maß fördert Stolz neuen Erfolg und den Wunsch, neue Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Mehr Kreativität und neue Ideen gibt’s inklusive.

Es gibt keinen Grund, Erfolge unter den Tisch fallen zu lassen

DIE REGELMÄSSIGKEIT BRINGT DEN ERFOLG
„Wenn wir Menschen krank sind, dann wollen wir meist nur unsere Ruhe haben. Es interessiert uns dann auch das nicht, was wir im gesunden Zustand gerne machen. Selbst das, was normalerweise Spaß macht, ist mühsam und man hofft, dass dieser Zustand möglichst schnell vorbeigeht. Das gleiche Muster finden wir in Unternehmen: Menschen, die in einem Arbeitsumfeld sind, in dem negative Emotionen zur Tagesordnung gehören, verhalten sich genauso. Sie haben keine Lust, sich einzubringen, selbst Dinge, die sie privat gerne machen, würden in diesem Umfeld keine rechte Freude bereiten. Und jeder hofft, dass die Arbeitszeit möglichst rasch vorbeigeht.“ Ebner beschreibt die Problematik negativer Emotionen in Unternehmen sehr bildhaft.
Wer dauerhaft für mehr Freude, Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft sorgen will, tut daher gut daran, positiven Emotionen regelmäßig Raum zu geben. Einmal jährliche Teambuildingmaßnahmen oder Workshops sind wertvoll, aber erst das tägliche, wiederholte Erleben von positiven Emotionen wirkt nachhaltig motivierend.

KEIN LEICHTER WEG
Menschen mit einer positiven Grundhaltung, können sich nach negativen Erlebnissen, bei Stress oder Angst auslösenden Situationen rascher erholen. Die Wissenschaft bezeichnet dies als Undo-Effekt. Positive Emotionen am Arbeitsplatz und im Privatleben lohnen daher immer.
Leider und das möchten wir an dieser Stelle nicht verschweigen, ist der Weg zu mehr Positivität in Unternehmen oft schwierig. Denn neben Vorurteilen und Missverständnissen gegenüber Positiver Psychologie und dem Verwechseln von Positiven Emotionen und falsch verstandenem Positiven Denken, sind auch die Menschen in Unternehmen sehr unterschiedlich. Wenngleich sicher niemand gerne Dienst nach Vorschrift macht und jeder gerne zufrieden und motiviert wäre – nicht alle Menschen sind Neuem gegenüber aufgeschlossen. Neue Methoden, neue Rituale und ein neues Verhalten löst oftmals Unbehagen und unter Umständen Abwehr aus. Hinzu kommen Mitarbeiter, die grundsätzlich eher negativ gestimmt, unzufrieden und launisch sind.
Seien Sie auch hier positiv – finden Sie die positiven Eigenschaften und entwickeln sie positive Möglichkeiten, alle zu überzeugen. Zum Glück haben positive Emotionen eine ansteckende Wirkung, so dass nach einiger Zeit vielleicht auch noch der letzte Skeptiker überzeugt werden kann. Legen Sie los! Probieren Sie es aus! Überzeugen Sie sich und andere!

WISSENSWERT 

GESUNDHEIT
Das Kultivieren positiver Emotionen wirkt sich auch günstig auf die Gesundheit der Mitarbeiter aus.
Neueste Studienergebnisse zeigen, dass Menschen die eine positive Selbstbeeinflussung gelernt haben, ein gesünderes Herz haben.

POSITIVE PSYCHOLOGIE
Das bewusste Etablieren positiver Emotionen ist ein wichtiger Baustein der Positiven Psychologie. Im sogenannten PERMA-Modell, steht das P für Positive Emotionen, weitere wichtige Bereiche sind E wie Engagement, R wie Relationships (Gelingende Beziehungen), M wie Meaning (Sinnerleben) und A wie Accomplishment, das bessere Konzepte für Leistungen und Zielerreichungen sucht.

LITERATUR
Sie wollen mehr über dieses Thema wissen? Diese Bücher können wir Ihnen empfehlen:
Dr. Markus Ebner, Positive Leadership –, Erfolgreich führen mit PERMA-Lead: die fünf Schlüssel zur High Performance
Dr. Nico Rose, Arbeit besser machen – Positive Psychologie für Personalarbeit und Führung
Dr. Barbara L Fredrickson, Die Macht der guten Gefühle – Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert

Zehn wichtige positive Emotionen nach Fredrickson

  • Freude
  • Dankbarkeit
  • Heiterkeit
  • Stolz
  • Interesse
  • Hoffnung
  • Vergnügen
  • Inspiration
  • Ehrfurcht
  • Liebe

 

Autorin: Petra Lahnstein, Trainerin „Wachstum durch Wohlbefinden in Unternehmen“, Redakteurin und Buchautorin, Glückscoach

Zuerst erschienen im TOP Magazin Koblenz.

Bildquelle: ©Wavebreakmedia/depositphotos.com

Auf Werte bauen!

Auf Werte bauen!

INTERVIEW mit Dipl. Kfm. Klaus Rohletter – Vorstandsvorsitzender der Albert Weil Gruppe

„Erfolg ist kein Zufall“. Diesem Anspruch stellen sich der Unternehmer Klaus Rohletter und seine Mitarbeiter täglich mit dem Ziel, individuelle Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche der Kunden zu erkennen und jedes Bauvorhaben und jedes Projekt mit hoher Wichtigkeit und gleicher Sorgfalt anzugehen.

Wie dies so erfolgreich gelingt, verrät Herr Rohletter in diesem spannenden Interview, das Petra Lahnstein im Zuge der Arbeit an der neuen Unternehmensbroschüre mit ihm führte.

REDAKTION
„Auf Werte bauen!“ – Sie haben sich vor einiger Zeit entschieden, Ihren Unternehmensslogan zu verändern. Was war der Hintergrund dabei? 

ROHLETTER
Mit unserer Bauunternehmung verbinden wir nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch bestimmte Werte bzw. Vorstellungen, die unser tägliches Miteinander prägen. Wir wollten diese gerne in Worte fassen und in Ruhe über unsere Unternehmenswerte sprechen – das war eine bewusste Entscheidung, die wir für uns getroffen hatten. 

REDAKTION
Unternehmenswerte fallen ja nicht einfach vom Himmel. Wie wurden die Unternehmenswerte entwickelt? Wer war beteiligt? Welche Ergebnisse gab es? 

ROHLETTER
Wir haben eine Arbeitsgruppe bestehend aus Mitarbeitern der verschiedenen Unternehmensbereiche ins Leben gerufen – von der Baustelle bis zur Verwaltung. Die Impulse und der eigentliche Prozess liefen in unserem Haus ab und wurden durch einen externen projektverantwortlichen Coach unterstützt. Zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus allen Unternehmenseinheiten, unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlich langjähriger Firmenzugehörigkeit, haben in mehreren Treffen fünf Werte- Paare formuliert: Tradition und Innovation, Qualität und Anspruch, Verantwortung und Nachhaltigkeit, Respekt und Miteinander. In einem letzten Schritt haben wir alle Mitarbeiter in den Prozess involviert und wollten wissen, was genau sie unter diesen Wertepaaren verstehen bzw. wie diese aus ihrer Sicht gelebt werden oder gelebt werden sollten. Zusammengefasst haben wir das Resultat unserer gemeinsamen Arbeit in einem gesonderten Wertepapier. Unser neuer Leitspruch „Auf Werte bauen“ ist ein weiteres Ergebnis dieses Prozesses. 

REDAKTION
Wie gelingt es Ihnen, dass Unternehmenswerte nicht nur definiert werden und gerahmt an der Wand hängen, sondern tatsächlich gelebt werden? 

ROHLETTER
Gelebt werden unsere Werte ja nicht erst seit dem Projekt. Vielmehr sind es Vorstellungen, die unsere Mitarbeiter teilen und in der Grundidee bereits seit 70 Jahren, seit der Gründung durch Herrn Albert Weil, gewachsen sind. Wir verstellen uns an dieser Stelle nicht und es ist auch kein Gesetz, sondern ein Verhalten, das vorgelebt wird. Es ist aber sehr schön zu sehen, dass diese Werte gerne geteilt und an neue Kolleginnen und Kollegen weitergegeben werden. Denn am Ende sind und bleiben es unsere Mitarbeiter, die die Werte zum Leben erwecken. 

REDAKTION
Können Sie hierzu ein Beispiel benennen? 

ROHLETTER
Es gab vor kurzem einen Brandfall in der Familie eines Mitarbeiters: ein Auszubildender und seine Familie waren durch dieses Unglück sehr betroffen und sobald dies im Kollegenkreis bekannt war, kam zum einem der vorgesetzte Polier des Azubis auf die Geschäftsleitung zu und zum anderen haben sich auch die Mitarbeiter unabhängig davon überlegt, wie sie die Familie unterstützen können. Das sind für mich gelebte Werte! 

REDAKTION
Zeigt das nicht auch, dass Ihr Unternehmen bis heute ein Familienunternehmen ist, in dem sich die Mitarbeiter wie in einer Familie unterstützen? 

ROHLETTER
Absolut! Dass wir – trotz unserer dynamischen Unternehmensentwicklung – weiterhin ein familiär geprägtes Arbeitsklima pflegen, darauf sind wir sehr stolz. Jeder Mitarbeiter und auch dessen Familie, ist uns wichtig. Und als Familie steht man zusammen und versucht, sich auch in herausfordernden Zeiten zu unterstützen. Ganz gleich, ob es dienstliche oder private Themen sind: Wir haben stets ein offenes Ohr für die Belange, die unsere Mitarbeiter an uns herantragen. Nicht, weil wir es „müssen“, sondern weil es uns am Herzen liegt und wir es MÖCHTEN. Was wir tun können, bieten wir an. Wir unterstützen, wo es nötig ist. 

REDAKTION
Ihr guter Ruf als soziales und engagiertes Unternehmen eilt Ihnen seit Jahren voraus. Müssen Sie sich über Mitarbeiterwohlbefinden und Kulturwandel im Rahmen der Digitalisierung überhaupt Gedanken machen? 

ROHLETTER
Auch das ist eine gute Frage! Aber ja, natürlich wollen und müssen wir das. Die Pflege der Unternehmenskultur ist – genau wie die Digitalisierung an sich – eine dauerhafte Herausforderung, die gepflegt und für die immer wieder sensibilisiert werden muss. Es ist eine Verpflichtung, diese auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Dazu gehören neben den Unternehmenswerten auch eine offene und ehrliche Kommunikation – innerhalb des Unternehmens, aber auch nach außen. Auch und gerade dann, wenn es schwierig wird oder Herausforderungen bestehen. 

REDAKTION
Die eigenen Werte zu kennen, hilft bekanntlich dabei, bessere Entscheidungen zu treffen. Nutzen Sie dies für unternehmerische Entscheidungen? 

ROHLETTER
Natürlich. Unsere Wertevorstellungen sind gewissermaßen unser Kompass, der unsere Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Seine Werte zu kennen und diese vor Augen zu haben, ist aus meiner Sicht definitiv ein Gewinn. 

REDAKTION
Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem Sie sich aufgrund Ihrer Unternehmenswerte gegen ein Projekt oder gegen einen Auftrag entschieden haben?

ROHLETTER
Das ist noch gar nicht so lange her, da haben wir in unserem Strategischen Dialog mit dem Vorstand beschlossen, einen Großauftrag abzulehnen, der rund 300 Kilometer von unserem Standort entfernt war, weil wir nicht dazu bereit sind, dass unsere Mitarbeiter nach Feierabend nicht wieder zuhause bei ihren Familien sein können. Ein Punkt, der uns aber sehr wichtig ist und in dem Werte-Paar Verantwortung & Nachhaltigkeit Ausdruck findet. 

REDAKTION 
Welche anderen Entscheidungen oder Handlungen sind beispielhaft für gelebte Unternehmenswerte? 

ROHLETTER
Bei uns stehen die Mitarbeiter im Fokus. Jeder Einzelne – vom Azubi bis zum Vorstandskollegen – wird wertgeschätzt und ernst genommen. Jede Idee zählt! Vor einiger Zeit hatte ein Polier eine Idee, die er an uns herangetragen hat. Wir haben das gerne geprüft. Was könnte wertvoller sein als Input und Feedback unserer Mitarbeiter? Bei der Prüfung haben wir festgestellt, dass das vielmehr war als nur eine kleine Idee, im Grunde genommen war es eine richtige Erfindung. Wir haben uns dann im Team zusammengesetzt und überlegt: Was können wir daraus machen und wie können wir es im Unternehmen und im Sinne der Mitarbeiter einsetzen? Eine Haltung und Vorgehensweise, die für gelebte Innovation steht! 

REDAKTION
Gibt es weitere, zukunftsgerichtete Entscheidungen, die auf Ihren Unternehmenswerten basieren? 

ROHLETTER
Ein Beispiel möchte ich noch nennen – und das hebt uns als Familienunternehmen vielleicht von großen Konzernen ab. In einem mittelständischen, inhabergeführten Unternehmen, unterliegen wir nicht dem Druck zu einem Zeitpunkt X ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Stattdessen ist es unsere Aufgabe, als Vorstand dafür zu sorgen, dass man dauerhaft gute Ergebnisse und Erfolg ermöglicht. Daher denken wir nicht in Jahreszielen, sondern langfristig – über ein Jahrzehnt oder länger. Da muss man auch einmal den Mut und Vertrauen haben, neue, ungewohnte und große Entscheidungen zu treffen. Solch ein strategischer Schritt für die nächsten Jahrzehnte war zum Beispiel der Erwerb des Kieswerks in Niederzeuzheim. Es ist das erste Mal, dass die Bauunternehmung ein eigenes Kieswerk erworben hat – aber es ist nicht zuletzt eine Antwort auf die Frage, wie das Unternehmen auch in den nächsten Jahrzehnten ein zukunftssicherer Arbeitgeber in der Region bleiben kann. 

REDAKTION
Welche Werte liegen Ihnen privat besonders am Herzen? Und was tun Sie, um diese leben zu können? 

ROHLETTER
Respekt und Miteinander zählen – neben vielen weiteren – zu den Werten, die mir besonders wichtig sind. Meinem Gegenüber mit Respekt und Anstand zu begegnen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Mein Verständnis von Wertschätzung ist, zunächst anderen Menschen für deren Engagement und Leistung entgegenzubringen, bevor ich Wertschätzung für mein eigenes Handeln reklamiere. 

www.albertweil.de

 

Autorin: Petra Lahnstein, Trainerin „Wachstum durch Wohlbefinden in Unternehmen“, Redakteurin und Buchautorin, Glückscoach

Bildrechte: Albert Weil AG